BAHNHOFSTRASSE

1911 wurden die ersten Gleisanlagen der Staatsbahn auf einem angeschütteten Damm verlegt, die Arbeiten zur Tieferlegung der Bahnhofstraße und der Bau einer Unterführung mit einer lichten Weite von 18,5 Metern wurden 1913 aufgenommen.

Damit war prinzipiell der Weg frei, auch die Gleisanlagen der in Herne verkehrenden Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG, der Westfälischen Straßenbahn GmbH, der Straßenbahn Herne – Sodingen – Castrop und der Straßenbahn Herne – Recklinghausen am Bahnhof Herne zu verbinden.

DIVERGIERENDE INTERESSSEN

Die Interessen der konkurrierenden Verkehrsunternehmen waren anfangs jedoch so divergierend, dass mehrere Jahre vergingen, bis man sich einig wurde, die Stadtstraßen in Herne gemeinschaftlich zu nutzen.

Mit einem am 9. April 1921 geschlossenen Vertrag wurde vereinbart, die Strünkeder Straße und die Bahnhofstraße in Herne zweigleisig auszubauen. An diesen Hauptstrang sollten alle in Herne verkehrenden Straßenbahnlinien angeschlossen werden. Weiterhin einigten sich die Unternehmen, die Bahnanlagen jeweils ohne Entschädigung den anderen Straßenbahnbetrieben zur Verfügung zu stellen.

Exemplarisch für das Konkurrenzdenken der Herner Straßenbahnunternehmen war insbesondere die Situation in der unteren Bahnhofstraße. Hier benötigte die Westfälische Straßenbahn eine Betriebsstrecke ohne Linienverkehr von der Endstelle der von ihr betriebenen Kommunalen Straßenbahn-Gesellschaft Landkreis Gelsenkirchen in Baukau zu ihrer am 1912 eröffneten Straßenbahnlinie von Herne nach Horsthausen.

Die Straßenbahn Herne – Recklinghausen verweigerte die Mitbenutzung ihres Gleises in der unteren Bahnhofstraße. So wurde das „westfälische“ Gleis von der Bismarck- bis zur Friedrichstraße parallel über die Bahnhofstraße geführt. Auch beim 1921 vereinbarten Ausbau der Bahnhofstraße bestand die Straßenbahn Herne – Recklinghausen hinsichtlich des Abzweigs von der unteren Bahnhofstraße in die Friedrichstraße auf einer alleinigen Kostenübernahme durch die Westfälische Straßenbahn GmbH.

BEGINN DER AUSBAUARBEITEN

Unmittelbar nach dem Vertragsabschluss begann man mit den Bauarbeiten. Federführend war die Westfälische Straßenbahn.

In einem ersten Bauabschnitt wurde die Strecke der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG von der bisherigen Endstelle in Höhe der Einmündung der Dammstraße zweigleisig durch die neue Unterführung zum Bahnhofsvorplatz geführt. Dort erfolgte der Anschluss an die Strecke der Straßenbahn Herne – Recklinghausen, die bis hinter der Einmündung der Bismarckstraße doppelgleisig ausgebaut wurde.

Die Strecke der an die Westfälische Straßenbahn verpachteten Kommunalen Straßenbahn-Gesellschaft Landkreis Gelsenkirchen wurde an der Bismarckstraße mit einem doppelgleisigen Abzweig angebunden. Für dei Linie nach Röllinghausen entstand der bereits erwähnte Abzweig in die Friedrichstraße.

Südlich der Bahnüberführung wurde der zweigleisige Abschnitt von der Einmündung der Dammstraße bis kurz hinter die Einmündung der Vinckestraße weitergeführt. In Höhe der evangelischen Hauptkirche entstand ein weiteres, kurzes zweigleisiges Streckenstück in der Bochumer Straße.

NEUE WEGE IN DER INNENSTADT

Damit konnten die Straßenbahnstrecken wie folgt durch die Herner Innenstadt geführt werden:

Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG: Aus Bochum über den Steinweg, die Schul- und Vinckestraße zum Bahnhof. Vom Bahnhof über die Bahnhofstraße nach Bochum.

Straßenbahn Herne – Sodingen – Castrop: Aus Castrop über die Mont-Cenis-Straße, die Schul- und Vinckestraße zur Endstelle am Bahnhof Herne. Vom Bahnhof Herne über die Bahnhofstraße und die Mont-Cenis-Straße nach Castrop.

Straßenbahn Herne – Recklinghausen: Von Recklinghausen über die Strünkeder Straße und die Bahnhofstraße bis zur „Endstelle“ an der Weiche in der Bahnhofstraße. Diese wurde zum Umsetzen der Wagen benutzt.

Westfälische Straßenbahn GmbH: Aus Gerthe über die Wiescher-, Schul- und Vinckestraße zum Bahnhof und von dort über Strünkeder- und Friedrichstraße nach Horsthausen und Röllinghausen. Von Röllinghausen über die Friedrich-, Strünkeder- und Bahnhofstraße sowie über die neue Verbindung im Steinweg zur Wiescherstraße.

Kommunale Straßenbahn (Betriebsführung durch die Westfälischen Straßenbahn GmbH):
Aus Wattenscheid und Eickel von der Bismarckstraße über die Strünkeder Straße zum Bahnhof und von dort über einen Gleiswechsel in der Strünkeder Straße auf gleichem Weg zurück.

In gleicher Reihenfolge war das Vorfahrtsrecht in Herne geregelt.

WEIHNACHTSGESCHENK

Am 21. Dezember 1921 wurde die Strecke in der Bahnhofstraße abgenommen. Noch am gleichen Tag konnte der Gemeinschaftsverkehr in Herne aufgenommen werden. Für die Stadt und ihre Bürgerschaft war das ein Weihnachtsgeschenk, hatte doch jetzt auch die monatelange Bautätigkeit ein Ende.

An diesen Tag erinnert das am Bahnhof Herne aufgenommene Titelbild dieses Beitrags (Bildarchiv der Stadt Herne). Zu erkennen sind Triebwagen 11 der Straßenbahn Herne – Baukau – Recklinghausen, Triebwagen 1 der Straßenbahn Herne – Sodingen – Castrop, zwei Triebwagen der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG sowie rechts Triebwagen 215 der Westfälischen Straßenbahn.

Aus Anlass der Abnahme der Gemeinschaftsstrecke in der Bahnhofstraße baten auch die Handwerker, die für den Gleisbau und die Installation der Oberleitung verantwortlich waren, den offiziellen Fotografen um ein Gruppenfoto. Einen Abzug dieses Erinnerungsbildes habe ich vor vielen Jahren für meine Sammlung von Charlotte Ewald erhalten.

ZURÜCKZUM NÄCHSTEN KAPITEL