GRÜNE FISCHE

Am 15. August 1952 wurden auf der Linie 1 zwischen Recklinghausen Hbf. und Wanne-Eickel Hbf. erstmals die modernen Großraumwagen der Vestischen Straßenbahn GmbH eingesetzt. Von Herten aus kamen sie sowohl auf der Linie 1 als auch auf der Linie 7 zum Einsatz.

Die ab 1952 ausgelieferte erste Serie der modernen, von der Düsseldorfer Waggonfabrik DÜWAG konstruierten Fahrzeuge (Triebwagen 340 bis 351), hatte auf jeder Fahrzeugseite nur zwei Türen: eine doppelte Falttür hinten für den Einstieg beim Schaffner und eine einfache Falttür vorne beim Fahrer für den Ausstieg. Die ab 1954 gelieferten Triebwagen 352 bis 368 erhielten auf jeder Seite eine weitere Ausstiegstür in der Fahrzeugmitte.

Die langgestreckten, vierachsigen Wagen wurden in einer grünen Lackierung mit hellgelbem Zierstreifen ausgeliefert. Aufgrund ihrer eleganten Erscheinung wurden sie später von Straßenbahnfreunden als „grüne Fische“ bezeichnet.

Das Beitragsbild, ein Ausschnitt aus einer 1958 vom Essener Verlag Heinrich Koch publizierten Postkarte (Sammlung Ludwig Schönefeld) zeigt einen Großraumwagen im dichten Verkehr in der Wanne-Eickeler Hauptstraße.

Zu dieser Zeit wurden von der Linie 1 in der Hauptverkehrszeit hinter den Großraumwagen auch Beiwagen mitgeführt. Dafür hatten die Trieb- und Beiwagen Kompaktkupplungen der Firma Bergische Stahl-Industrie (BSI) erhalten, über die auch die elektrischen Leitungen verbunden wurden. Als Beiwagen kamen die 1948 neu von der Düsseldorfer Waggonfabrik und 1953 gebraucht aus Solingen beschafften KSW-Wagen (Beiwagen 186 bis 190) sowie 1955 beschaffte Beiwagen des Verbandstyps (Beiwagen 191 bis 206) zum Einsatz. 1962 wurde der Beiwagenbetrieb auf der Linie 1 eingestellt.

UMBAU-GELENKTRIEBWAGEN

1959 entschloss sich die Vestische Straßenbahnen GmbH, acht von 13 nach dem Krieg neu beschafften Triebwagen des „Aufbautyps“ aus den Lieferjahren 1948 und 1949 sowie acht 1955 erworbene, passende Beiwagen zu vierachsigen Gelenktriebwagen umzubauen. Dazu wurde jeweils ein Motorwagen über zwei Gelenke und eine „schwebendes“ Mittelteil zu einem neuen Triebwagen zusammengestellt. Unter den Nummern 392 bis 399 kamen die zudem mit neuen Fahrzeugsitzen ausgestatteten Fahrzeuge in Fahrt.

Ihr Einsatz erfolgte von Anfang an vor allem auf der Linie 1. Wie die vierachsigen Großraumwagen, die fortan vor allem am Wochenende auf der „1“ eingesetzt wurden, waren sie in „Industriegrün“ mit einem Ziertreifen in hellem Beige lackiert.

Das folgende Postkartenmotiv mit einmontierter Mercedes-Limousine wurde nach der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes vor dem Hauptbahnhof in Wanne-Eickel aufgenommen, vermutlich im Herbst 1962 (Verlag Heinrich Koch, Essen – Sammlung Ludwig Schönefeld).

IN ÖSTERREICH UND FRANKREICH

Einer der ersten Großraumwagen der Vestischen Straßenbahn GmbH, der 1952 gebaute Triebwagen 342, ist bis heute im Verein der Bergischen Museumsbahnen e.V. (BMB) in Wuppertal erhalten.

Die Triebwagen 340, 341 und 347 wurden Anfang 1974 an die Gmundener Straßenbahn in Österreich verkauft. Zwei von ihnen kamen nach langer Stand- und Aufarbeitungszeit wieder in Betrieb: 1977 Triebwagen 347 als GM 9 und 1983 Triebwagen 341 als GM 10. Triebwagen 347 wurde an einen Privatmann verkauft und ist heute noch vorhanden. Triebwagen 341 gelangte 2020 als Ersatzteilspender an die BMB in Wuppertal. Inzwischen wurde der Wagenkasten verschrottet.

Die etwas jüngeren Triebwagen 352, 353 362, 363, 365 und 367 wurden 1979 an die Straßenbahn im nordfranzösischen Lille verkauft. 1981 wurden die Fahrzeuge dort vom lokalen Verkehrsunternehmen SNERLT wieder in Betrieb genommen. Nach der Einstellung des gesamten Straßenbahnbetriebes der Vestischen Straßenbahnen übernahm der Betrieb in Lille darüber hinaus zwischen Mai und Oktober 1982 auch die 26 in Recklinghausen noch vorhandenen sechsachsigen Gelenktriebwagen.

Nach der Beschaffung moderner Niederflurwagen und der Erhöhung der Fahrdrahtspannung wurde der Einsatz der aus Deutschland stammenden Straßenbahnwagen 1994 beendet. Der Großraumwagen 362 ist in Lille noch heute als Museumswagen vorhanden. Die übrigen „grünen Fische“ wurden verschrottet.

Von den vierachsigen Umbau-Gelenktriebwagen aus dem Jahr 1959 blieb kein Fahrzeug erhalten. Sie wurden zwischen Dezember 1974 und November 1975 abgestellt. Am 28. Februar 1965 konnte Wolfgang R. Reimann den Triebwagen 396 noch im grünen Lack während der Pause von Fahrer und Schaffner in der Schleife am Wanne-Eickeler Hauptbahnhof fotografieren.