STRENGE REGELN

Auf historischen Postkarten ist gut zu erkennen, dass alle Straßenbahnlinien den Bahnhof Wanne zeitgleich erreichten. Dieses geplante „Rendezvous“ sorgte dafür, dass ein Anschluss von Herten nach Bochum oder von Bochum über Wanne nach Gelsenkirchen immer garantiert war. Da der Individualverkehr die Straßenbahnen noch nicht behinderte, konnten die Ankunfts- und Abfahrtzeiten in aller Regel eingehalten werden.

Die gemeinsame Nutzung der Endstelle von drei, später sogar vier Straßenbahnlinien erforderte geregelte Abläufe:

Alle Linien kamen nacheinander auf dem direkt am Bahnhofsgebäude liegenden südlichen Gleis der Endstelle an. Die Abfahrtstellen lagen vom Bahnhofsgebäude gesehen am zweiten, dritten und vierten Gleis.

Die Linie 1 der Vestischen Kleinbahnen, die gelegentlich auch mit Beiwagen verkehrte, sollte die Endstelle bei jedem Rundumanschluss zuerst erreichen. Sie hielt kurz am Bahnhof und fuhr dann ein kurzes Stück in die Herner-Strasse. Dann setzte der Fahrer zum Pausenplatz in der Straßenverbindung zwischen dem Bahnhof und der Friedhof-Straße zurück. Kurz vor der Abfahrtzeit fuhr die „1“ zu ihrer Abfahrtstelle im nördlichsten Gleis.

Nach der Linie 1 kam die Linie 6 aus Bochum. Da auch sie in verkehrsstarken Zeiten mit Beiwagen verkehrte, fuhren die Fahrer ihre Garnitur in die Herner-Strasse, sobald die „1“ dort das Gleis geräumt hatte. Auch die „6“ wendete über die Verbindung zur Friedhof-Strasse. Die Fahrer machten sich aber bereits vor der „1“ auf den Weg zur Abfahrtstelle. Diese lag für die Linie 6 auf dem vom Bahnhof gesehen dritten Gleis.

Nach der „6“ folgte die Linie 3 aus Gelsenkirchen. Sie hatte der „6“ bereits am Glückaufplatz Vorfahrt zu gewähren, um die Abläufe am Bahnhof zu gewährleisten. Nach kurzem Halt fuhr die „3“ einige Meter in Richtung Herner-Strasse. Nach der Weiche zum vom Bahnhof gesehen zweiten Gleis machte der Fahrer „Kopf“ und fuhr an die Abfahrtstelle im westlichen Abschnitt des zweiten Gleises. Für die Einzeltriebwagen der Linie 3 war dort ausreichend Platz.

Von Anfang an wurde bei den Abläufen auch die Einfädelung der geplanten Linie vom Bahnhof über die Herner-Straße nach Holsterhausen (Eickel II) berücksichtigt. Als diese im Dezember 1921 als Linie „L“ durch die Westfälische Straßenbahn GmbH eröffnet wurde, wurde sie in den Fahr- und Rangierplan integriert. Die immer solo eingesetzten Triebwagen der Holsterhauser Linie mussten in der Herner-Strasse warten, bis die Linien 1, 6 und 3 ihre Rangierfahrten abgeschlossen hatten. Erst dann durften sie die Ausstiegsstelle anfahren. Nachdem die Fahrgäste ausgestiegen waren, setzten die Fahrer ein Stück zurück. Dann rangierten sie ihren Triebwagen auf den östlichen Abschnitt des zweiten Gleises.

Die Rangierregeln am Bahnhof Wanne wurden bis zu einem grundlegenden Umbau der Endstelle Anfang der 1960er-Jahre beibehalten.

Zuvor entfiel in der unmittelbaren Nachkriegszeit, das von der Linie 1 genutzte nördliche Gleis. Laut Fahrplan fuhr weiterhin die Linie 1 vor der Linie 6. Da der gestiegene Individualverkehr zu dieser Zeit pünktliche Ankunftszeiten häufig verhinderte, mussten sich die Fahrer der Linien 1 und 6 in dieser Zeit arrangieren.

Das Beitragsbild zeigt den Wanner Bahnhofsvorplatz aus Sicht des Pausenplatzes in der heute nicht mehr existierenden Verbindungsstraße zwischen dem Bahnhof und der Friedhof-Strasse / OW III (Verlag Cramers Kunstanstalt, Dortmund – Sammlung Ludwig Schönefeld). Im Anschluss an das Titelbild vermittelt die Bildfolge weitere Einblicke in das Rangiergeschehen.

  • Triebwagen 525 ist auf dieser Postkarte von 1933 soeben an der Ausstiegshaltestelle angekommen.
    Verlag Erich Stenzel - Sammlung Ludwig Schönefeld