KRAFTSTATION

Der Betriebsmittelpunkt, die sogenannte „Kraftstation“, befand sich auf einem weitläufigen Grundstück in Recklinghausen-Süd an der heutigen Gasstraße, unmittelbar vor der Kreuzung mit der Anschlussbahn der Zeche König Ludwig auf der westlichen Straßenseite.

Wir sehen die Gesamtanlage als Beitragsbild auf einer sehr seltenen Postkarte aus der Sammlung von Heinz Staubermann und Jochen Weber.

Der verfügte in den Anfangsjahren über eine einfach gestaltete viergleisige Wagenhalle, die über die Gleisharfe im Vorfeld aus beiden Fahrtrichtungen erreicht werden konnte.

Bereits kurz nach der Eröffnung wurde die Wagenhalle für die Unterstellung neu erworbener Triebwagen nach Osten verlängert. Bei dieser Gelegenheit sind auch die auf dem Beitragsbild sichtbare Ziegelfassade sowie eine nördlich an die verlängerte Wagenhalle angrenzende kleine Werkstatt mit einem Zufahrtsgleis entstanden.

Ein weiteres Gleis führte zum Maschinen- und Kesselhaus, das wir auf der historischen Postkarte auf der rechten Seite der Wagenhalle erkennen. Über dieses Gleis konnte Kohle direkt zum Kesselhaus gefahren werden.

ERGÄNZUNG EINER ZWEITEN WAGENHALLE

Im November 1907 begann man damit, den Betriebshof ein weiteres Mal auszubauen. Nun entstand eine im Süden an die bestehende Wagenhalle angrenzende eine zweite Halle. Sie nahm im Laufe der Jahre vier Gleise auf.

Auf der als Beitragsbild gezeigten Postkarte ist die zweite, optisch an die bestehende Halle angeglichene Halle bereits zu sehen. Ganz rechts sehen wir das mit Efeu begrünte Direktionsgebäude.

Das urprünglich zum Kesselhaus führende Anschlussgleis wurde im Zusammenhang mit der Erweiterung der Stellkapazität und dem Austausch von Weichen und Gleisen stillgelegt. Stattdessen wurde jetzt ein Gleis nördlich um den Betriebshof herum auf die Rückseite der Gebäude geführt. Damit konnten das Anschlussgleis der König-Ludwig-Bahn, ein neues Holzlager sowie die hinter dem Gebäude eingerichteten Ersatzteillager erreicht werden.

Einen Einblick in den Alltag des Betriebshofs vermitteln zwei Fotos, die der Fotograf Joseph Schäfer im anlässlich der Einstellung von Frauen für den Schaffnerdienst im Ersten Weltkrieg aufgenommen hat. Die Aufnahmen sind in der Fotosammlung des LWL-Medienzentrums für Westfalen erhalten, dürfen hier aber aus Urheberrechtsgründen nicht als Illustration eingebunden werden. Die Fotos entstanden am 3. Juni 1916 und am 8. Juni 1916.

SCHLIESSUNG UND UMBAU ZUM AUTOHOF

Nach den Umbauten in den Jahren 1907 bis 1909 blieb der Betriebshof der Straßenbahn Herne – Recklinghausen bis zur Übernahme der Gesellschaft durch die Vestische Kleinbahnen GmbH weitgehend unverändert in Betrieb. Das nachfolgende Luftbild zeigt die Gesamtanlage im Jahr 1926 (© RVR – 1925-1930 – dl-de/by-2-0). Vor der südlichen Halle sind vermutlich zwei Loren abgestellt. Im Gleisvorfeld wartet ein Vierachser. Anhand der unterschiedlichen Reflektion des Dachbelags kann man sehr gut die verschiedenen Ausbaustadien des Betriebshofes nachvollziehen.

Nach der am 28. Oktober 1939 vollzogenen Übernahme des Betriebs durch die Vestische Kleinbahnen GmbH wurde der Betriebshof in Recklinghausen-Süd aufgegeben. Die Gleis- und Oberleitungsanlagen wurden schon bald demontiert, um Eisen und Kupfer für die Kriegswirtschaft zu gewinnen.

Die Hochbauten des ehemaligen Betriebshofs konnten nach dem Zweiten Weltkrieg als „Autohof“ einer neuen Nutzung zugeführt werden. In den Wagenhallen etablierte sich eine Werkstatt für Lastkraftwagen. Hier wurden Reparaturen für die Marken Daimler Benz und Büssing ausgeführt. Das Direktionsgebäude wurde als Gaststätte und Hotel weiter genutzt.

Auch aus dieser Zeit gibt es Luftbilder in der Datenbank des Regionalverbandes Ruhrgebiet. Die nachfolgende Ausschnittvergrößerung stammt aus einer 1952 aufgenommenen Serie (© RVR – 1951-1980 – dl-de/by-2-0).

FRÜHES ENDE DER EIGENEN STROMERZEUGUNG

Das von der Union Elektrizitätsgesellschaft Berlin gebaute Kraftwerk der Straßenbahn Herne – Baukau – Recklinghausen verfügte anfangs über zwei Dampfmaschinen mit einer Leistung von 90 und 120 PS zur Erzeugung des des Bahnstroms. Eine östlich an das Maschinenhaus angrenzende Akkumulatorenstation diente zur Stabilisierung der Stromversorgung und als Puffer bei kurzfristigen Störungen.

1910 wurden die Dampfmaschinen und die Generatoren demontiert: Vom 14. März 1910 an bezog die Straßenbahn den Strom vom Elektrizitätswerk Herne.

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