HERNE – CASTROP-RAUXEL

Zur Erstausstattung der Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel gehörten sechs zweiachsige Triebwagen (Triebwagen 1 bis 6) und drei Beiwagen (Beiwagen 21 bis 23). Sie wurden von der Waggonfabrik Weyer & Co. in Düsseldorf geliefert.

Konstruktiv waren die Triebwagen eng mit den 1900/01 von Weyer an die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG gelieferten Triebwagen 58, 59, 76 bis 102 und 120 bis 150 verwandt. Sie unterschieden sich von diesen durch eine andere Fensterteilung und durch die Lackierung mit grünen Seitenwänden und altweißen Fensterbändern. Weitgehend identische Triebwagen wurden 1908 von der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn AG beschafft und unter den Nummern 151 bis 163 in Betrieb genommen. Dadurch kommt es auf historischen Postkarten leicht zu Verwechselungen.

Das auch im Kapitel zur Straßenbahnstrecke in der Heinrich- und Neustraße verwendete Beitragsbild aus dem Bildarchiv der Stadt Herne zeigt einen dieser ersten Wagen beim Überqueren der Herner Bahnhofstraße.

Die 1906 gelieferten Fahrzeuge bewährten sich, hatten aber nur eine geringe Kapazität. Deshalb wurden die Triebwagen 5 und 6 bereits 1911 an die Straßenbahn der Stadt Herne weitergegeben. Dort erhielten sie die Nummern 4 und 5. Nach Übernahme durch die Westfälische Straßenbahn GmbH wurden sie als unter den Nummern 17 und 18 eingereiht. Sie blieben jedoch eine Splittergattung. Daraus resultierten ab 1917 der ausschließliche Einsatz im Güterzugverkehr und eine frühe Ausmusterung.

Die Triebwagen 1 bis 4 wurden 1922 an die Kreis Ruhrorter Straßenbahn verkauft. Sie kamen dort mit verlängerten Plattformen unter den Nummern 83 bis 86 zum Einsatz. Am 1. Januar 1941 ging das Unternehmen von der Duisburger Verkehrs AG auf. Dort erhielten die Herner Wagen die Nummern 529 bis 532. Erst 1959 wurden sie ausgemustert.

Von den Beiwagen der Erstausstattung wurden die Wagen 21 und 22 im Laufe des Jahres 1922 abgestellt. Der Beiwagen 23 war bis 1929 für die Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel im Einsatz.

NEUE BAULOSE

Ab 1910 wurden bei der Waggonfabrik Weyer & Co. größere und wohl auch stärker motorisierte Fahrzeuge beschafft. In drei Serien: 1910 die Triebwagen 7 bis 10, 1914 die Triebwagen 11 sowie 5 und 6 in Zweitbesetzung und 1920 die Triebwagen 12 bis 15. Letztere erhielten 1922 die Nummern 1 bis 4 in Zweitbesetzung.

Von den Fahrzeugen der Erstlieferung unterschieden sich die Wagen des Baujahres 1910 durch den größeren Fahrgastraum mit geänderter Fensterteilung und die geräumigeren Plattformen mit einteiligen Schiebetüren.

Das nachfolgende Fabrikfoto erschien 1911 im Katalog der Aktiengesellschaft Düsseldorfer Eisenbahnbedarf (Sammlung Ludwig Schönefeld). In dieser Gesellschaft war die Waggonfabrik Carl Weyer & Cie. bereits 1882 aufgegangen. In der Außendarstellung verwendete das Unternehmen aber nach wie vor die Bezeichnung Weyer & Cie..

Bei den Wagen des Baujahres 1914 wurden die Fenster erneut anders angeordnet. Die nachfolgenden, vermutlich 1942 von Emil Konrad am Bahnhof Herne aufgenommenen Aufnahmen, deren Negative sich heute in der Sammlung des Verkehrsmuseums Nürnberg befinden, machen den Unterschied am Beispiel der Triebwagen 7 (Baujahr 1910) und 6 (Baujahr 1914) deutlich. Bemerkenswert ist die besondere Ausführung der Halterung für den Linienbuchstaben, mit der man an Triebwagen 6 experimentierte.

Bis auf die Wagen 1 und 2, die 1949 die Wagennummern 31 und 32 erhielten, wurde der gesamte Weyer-Bestand 1951 abgestellt.

BEIWAGEN

1921/22 wurden unter den Nummern 24 bis 27 vier, zu den Triebwagen der Lieferjahre 1910 und 1914 passende Beiwagen bei der Waggonfabrik Weyer & Co. beschafft.

1949 erhielten sie die Nummern 101 bis 104. Die Beiwagen 101 und 102 wurden 1948/49 für den Einsatz hinter den neu beschafften Dreiachsern umfassend modernisiert. Das ursprüngliche Laternendach wurde bis zu den Fahrzeugfronten verlängert. Optisch glichen die Beiwagen damit den Weyer-Triebwagen.

Die Beiwagen 103 hatte bei einem Umbau in der Vorkriegszeit anstelle der zwei großen Seitenfenster jeweils drei kleinere Fenster erhalten. Er wurde wie Beiwagen 104 ansonsten nicht mehr in einer mit den Beiwagen 101 und 102 vergleichbaren Weise umgebaut.

Alle vier Beiwagen wurden erst 1959 mit der Stilllegung des Betriebes ausgemustert.

  • 1942 gab sich Beiwagen 25, von den Verdunkelungseinrichtungen abgesehen, noch wie im Lieferjahr.
    Foto Emil Konrad - Sammlung Verkehrsmuseum Nürnberg

ERSTE GEBRAUCHTFAHRZEUGE

1939 erwarb die Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel von der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG die 1907 von der Waggonfabrik Falkenried in Hamburg für die Kommunale Straßenbahn-Gesellschaft Landkreis Gelsenkirchen gebauten Triebwagen 77, 80, 82 und 84 (ex Kommunale 7 = WS 207, Kommunale 10 = WS 210, Kommunale 12 = WS 212 und Kommunale 14 = WS 214) übernommen.

Die vier Triebwagen erhielten bei der Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel die Nummern 12 bis 15. Während die Triebwagen 13 und 15 vermutlich als Panzersperre genutzt wurden, blieben die Triebwagen 12 und 14 erhalten. Sie standen von 1949 bis zur Betriebseinstellung mit den Wagennummern 41 und 42 im Einsatz.

Einen dieser Wagen zeigt das nachfolgende, im Frühjahr 1955 von Reinhard Todt am Tor der Zeche Mont Cenis in Sodingen aufgenommene Bild.

WESTWAGGON LENKDREIACHSER

Echte Neubauwagen waren zwei dreiachsige „Aufbauwagen“, die 1948 bei der Waggonfabrik Westwaggon in Köln hergestellt wurden.

Als erstes Fahrzeug wurde am 26. Februar 1949 Triebwagen 51 in Dienst gestellt. Zeitgleich konnte man in der eigenen Werkstatt die Hauptuntersuchung des Beiwagens 101 von 1922 abschließen. Damit stand ein moderner Straßenbahnzug zur Verfügung.

Die feierliche Inbetriebnahme des neuen Triebwagens wurde von den Bürgerinnen und Bürgern mit Begeisterung begleitet.

  • Vor der Premiere: Fahrer und Schaffner vor dem nagelneuen Westwaggon Lenkdreiachser.
    Bildarchiv der Stadt Herne

Am 27. März 1949 kam mit dem Triebwagen 52 der zweite Westwaggon Lenkdreiachser in Fahrt. Drei Wochen später wurde auch ihm ein hauptuntersuchter Beiwagen zugeordnet.

Nach der Betriebseinstellung wurden die recht modernen Triebwagen an die Stadtwerke Oberhausen verkauft. Das Meterspur-Unternehmen verfügte über einen recht großen Bestand baugleicher Fahrzeuge.

Die Neuzugänge aus Herne erhielten in Oberhausen die Nummern 324 und 325. Sie waren noch bis 1969 bzw. 1966 im Einsatz.

WIESBADENER

Der letzte „Neuzugang“ der Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel waren 1955 zwei gebraucht von der Wiesbadener Straßenbahn übernommen Gastell-Triebwagen (ehem. Triebwagen 31 -Baujahr 1927 – und 43 – Baujahr 1930). In Herne erhielten sie die Betriebsnummern 21 und 22.

Für die Wiesbadener Wagen fand sich nach der Einstellung des Straßenbahnbetriebes kein Käufer. Sie wurden ausgemustert und verschrottet.

MIETWAGEN VON DER VESTISCHEN

Nachdem die Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel selbst nach 1956 nur noch die beiden Aufbauwagen und die vier ehemals Kommunalen Wagen im Einsatz hatte, kam es letztlich doch zu operativen Engpässen. Um einem drohenden Wagenmangel entgegenzuwirken, wurde für die letzten drei Betriebsjahre der Triebwagen 43 der Vestischen Straßenbahnen GmbH angemietet.

STADTWAPPEN STATT WAGENNUMMER

Bei ihrer Indienststellung trugen die Lenkdreiachser und die hauptuntersuchten Beiwagen auf den Seitenwänden das Herner Wappen.

Allerdings: Auf den Wagen gab es anfangs eben auch nur das Herner Wappen.

Dieser Fauxpas erregte vermutlich die Gemüter in der Nachbarstadt. Mit zeitlicher Verzögerung wurde dann auch das Wappen von Castrop-Rauxel auf die Straßenbahnwagen lackiert. An den Stirnfronten brachte man neben der Liniennummer nun auch Tafeln mit dem Emblem der Zeche Shamrock an.

Die Stadtwappen und das Bergbau-Schild kamen bei Fahrgästen und Politik offenbar gut an. Sie wurden deshalb auch für die älteren Triebwagen übernommen. Sie trugen zuvor seit Mitte der 1930er-Jahre nur die Fahrzeugnummer auf der Seitenwand.

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