Deutsche Soldaten sprengten im Frühjahr 1945 die Brücke über den Rhein-Herne-Kanal, um den Vormarsch der Alliierten aufzuhalten. Die Zerstörung der stark frequentierten Verkehrsader führte über Monate zu einer Unterbrechung der für die Menschen in Herne und Recklinghausen-Süd so wichtigen Direktverbindung von Herne nach Recklinghausen.
Die Wiederaufnahme des Straßenbahnverkehrs von Recklinghausen nach Herne verlief schleppend: Am 20. Juni 1945 fuhren erstmals wieder Straßenbahnen zwischen dem Hauptbahnhof in Recklinghausen und der Haltestelle Weserstraße in Recklinghausen-Süd. Am 12. Juli 1945 waren die Teilstücke von der Weserstraße nach Röllinghausen sowie zum Neumarkt in Recklinghausen-Süd. Ab dem 15. September 1945 fuhr die Straßenbahn wieder bis zur Hochlarmarkstraße.
Nachdem die britische Armee eine Behelfsbrücke der Bauart Bailey über den Rhein-Herne-Kanal errichtet hatte, konnte die Straßenbahn am 14. Oktober 1945 wieder über den Herner Bahnhof bis zur Endstelle in der Vinckestraße fahren.
EIN NEUER GEMEINSCHAFTSVERKEHR
Am 1. März 1950 wurde im Anschluss an die Vorkriegszeit ein neuer Gemeinschaftsverkehr mit der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG aufgenommen. Partner war jetzt die am 7. Februar 1940 aus der Vestischen Kleinbahnen GmbH hervorgegangene Vestische Straßenbahnen GmbH. Sie setzte bevorzugt ihre 1948 von der Düsseldorfer Waggonfabrik Düwag gelieferten Triebwagen des Aufbautyps ein (Triebwagen 327 bis 339) mit älteren Beiwagen ein.
Zugleich wurde der Gemeinschaftsverkehr im Süden über Hattingen nach Blankenstein – als Linie 8 – und Dahlhausen – als Linie 18 – ausgeweitet.
Auf der Linie 8 kamen ausschließlich Bochumer Triebwagen zum Einsatz. Zum Teil wurden die Straßenbahnzüge mit Beiwagen der Vestischen Straßenbahnen GmbH verstärkt.
Die Vestische Straßenbahnen bestückten die Linie 18 mit ihren Fahrzeugen. Dazu war es notwendig, zusätzliche Fahrer und Schaffner einzustellen und auszubilden. In diesem Zusammenhang entstand 1951 in offensichtlich guter Stimmung das nachfolgende Erinnerungsfoto an der Vinckestraße in Herne (Privatfoto – Sammlung Ludwig Schönefeld).
Das hier als Titelbild gezeigte, vermutlich im Frühjahr 1951 entstandene Postkartenmotiv aus dem Dortmunder Verlag Cramers Kunstanstalt (Sammlung Ludwig Schönefeld) zeigt zwei Züge der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG auf der Linie 8. Der vordere Triebwagen führt einen Gastell-Beiwagen mit, der hintere einen Beiwagen der Vestischen Straßenbahnen GmbH. Im Hintergrund macht sich ein Zug der Linie 3 bereit für die Fahrt über Suderwich zur zerstörten Wartburg-Brücke in Henrichenburg.
UNTERBRECHUNG AM KANAL
Im Jahresverlauf 1951 wurde der Gemeinschaftsverkehr aufgrund des Neubaus der Brücke über den Rhein-Herne-Kanal vorübergehend unterbrochen. Vom 17. Juli 1951 an führen die Bochumer Wagen bis zum südlichen Brückenkopf, die Wagen der Vestischen Straßenbahnen – nunmehr meist Altbau-Fahrzeuge – bis zum nördlichen Brückenkopf. Der Individualverkehr konnte die Bailey-Brücke noch bis in das Frühjahr 1952 hinein befahren.
In den folgenden Jahren belasteten Unterbrechungen und Umleitungen den Straßen- und Linienverkehr. Am 7. Mai 1955 jedoch war die neue Brücke fertiggestellt. Am folgenden Tag gab es auch wieder durchgehende Kurse auf den Straßenbahnlinien 8 und 18.
WENIG VERÄNDERUNG
In den folgenden Jahren war die Gemeinschaftslinie als 8/18 ohne weitere Veränderungen des Linienweges unterwegs. Für den U-Bahn-Bau in Herne, der weitgehen mit offener Baugrube erfolgte, kam es aber 1972 immer wieder einmal zu kurzfristigen Unterbrechungen.
Da die Straßenbahn während der Bauphase vom Bahnhof über die Vinckestraße und die Schulstraße zur Kreuzkirche geführt wurde – und dort nach dem Abschluss des U-Bahn-Baus auch verblieb, waren die Einschränkungen für die Fahrgäste gleichwohl relativ gering.
Einen recht guten Eindruck vom unverwechselbaren Charakter der Städteverbindung von Recklinghausen nach Herne vermittelt die nachfolgende Zusammenstellung von Privataufnahmen und Postkarten aus den Jahren 1955 bis 1982:
Das abschließende Bild dieses Kapitels konnte Wolfgang R. Reimann am 9. April 1982 in Höhe der Haltestelle Weserstraße aufnehmen. Hier präsentierte sich die Strecke bis zur Einstellung des Straßenbahnbetriebes der Vestischen Straßenbahnen im Ausbauzustand von 1926.