Das bis heute bestehende Herner Bahnhofsgebäude wurde im Dezember 1914 eingeweiht. Die Gestaltung des Bahnhofsumfeldes wurde durch den Ersten Weltkrieg verzögert. Erst 1917 konnten auch diese Arbeiten abgeschlossen werden.
BAHNHOF MIT STRASSENBAHNANSCHLUSS
Die Westfälische Straßenbahn GmbH, deren Direktor Paul Müller sich unentwegt für neue Straßenbahnlinien und für eine Zusammenarbeit der Verkehrsbetriebe im mittleren Ruhrgebiet engagierte, bemühte sich bereits während der Planung des neuen Bahnhofs um einen bis an das Bahnhofsgebäude geführten Straßenbahnanschluss.
1919 hatte er Erfolg: die Westfälische Straßenbahn GmbH konnte unmittelbar neben dem Bahnhof eine doppelgleisige Endstelle mit 600 Metern Gleislänge und zwei Gleiswechseln anlegen. Sie blieb zunächst ungenutzt.
Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Bahnhofstraße wurden die Gleise 1921 mit dem übrigen Gleisnetz in Herne verbunden.
Die Westfälische Straßenbahn nutzte die von ihr angeregte Endstelle vor dem Bahnhof gleichwohl nur in Ausnahmefällen: Das von ihr vorübergehend verfolgte Vorhaben, eine Straßenbahnstrecke vom Bahnhof über Baukau nach Hochlarmark zu führen, kam nicht über das Planungsstadium hinaus.
So wurden die Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel und die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG Hauptnutzer der Gleise am Bahnhof. Letztere konnte die Endstelle für ihre aus Bochum kommende Linie 2 nutzen, die meist mit Beiwagen unterwegs war.
SCHWERE SCHÄDEN
In den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs erlitten der Bahnhof und sein Umfeld schwere Schäden. Das Gebäude wurde anfangs nur notdürftig ausgebessert.
Einen Eindruck davon vermittelt das nachfolgende, vermutlich im Winter 1946/47 aufgenommene Foto des Düsseldorfer Straßenbahnfreundes Peter Boehm. Hinter dem aus Triebwagen 14 und einem Beiwagen gebildeten Zug der Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel sind die zugemauerten Fenster der Empfangshalle deutlich zu erkennen (Sammlung Axel Reuther).
BAHNSTEIGE FÜR OMNIBUSSE
Für den öffentlichen Personennnahverkehr in Herne war und der Bahnhof ein zentraler Punkt. Für die frühen Omnibuslinien der Stadt wurde bereits in den 1920er-Jahren auf der Südseite des Bahnhofvorplatzes ein Haltestellenbereich eingerichtet. Für wartende Fahrgäste entstand eine an den Bahndamm angelehnte, einstöckige Geschäftszeile mit einem hübschen Arkadengang.
In diesem Bereich hielten die Omnibusse anfangs auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit der Eröffnung neuer Linien wurde es jedoch zunehmend enger, so dass neue Omnibus-Haltestellen ausgewiesen werden mussten.
Anfang der 1950er-Jahre opferte die Stadt dafür die Grünfläche nördlich der Endstellen- und Umsetzanlage der Straßenbahn. Die dort beim Bahnhofsbau gesetzten, inzwischen stattlich gewachsenen Bäume mussten weichen.
Die für die Omnibusse neu angelegten Haltestelleninseln lagen im 90-Grad-Winkel zum Bahnhofsgebäude. Sie waren vermutlich nicht ausreichend, so dass die Omnibusse ihre Fahrgäste wohl auch abseits der Haltestelleninseln aufnahmen. Das dokumentiert das nachfolgende Fotos von Ronald Copson vom 28. August 1958, auf dem wir neben dem aus Wiesbaden übernommenen Triebwagen 21 der Straßenbahn Herne-Castrop Rauxel einen Omnibus der Vestischen Straßenbahnen GmbH erkennen:
AUFGABE DER STRASSENBAHN-ENDSTELLE
Nach der Einstellung des Straßenbahnverkehrs auf der Verbindung von Herne nach Castrop-Rauxel verzichtete auch die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG auf eine Nutzung der Endstellenanlage. Die Gleise wurden zugunsten neuer Verkehrsflächen für den Individualverkehr recht schnell entfernt.
Mit der Einführung der modernen Zweirichtungsgelenktriebwagen, 1957 bei der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG und wenig später auch bei der Vestischen Straßenbahnen GmbH wurde der Einsatz von Beiwagen in Herne weitgehend aufgegeben. Die in Herne endenden Straßenbahnzüge wendeten fortan über den Gleiswechsel in der Bahnhofstraße.
NEUGESTALTUNG NACH DEM U-BAHN-BAU
Während des U-Bahn-Baus in der Herner Innenstadt mussten die Fahrtrouten der Omnibuslinien zwischen 1972 und 1975 mehrfach geändert werden. Auch der Herner Bahnhofsvorplatz wurde als Baustellenbereich benötigt. Der Omnibusbahnhof konnte teilweise nicht mehr von der Bahnhofstraße aus angefahren werden.
Nach dem Abschluss der Bauarbeiten wurde der gesamte Bahnhofsvorplatz neu gestaltet, die Omnibuslinien kehrten zunächst an die Omnibusbahnsteige nördlich des Hauptbahnhofs zurück.
Auf dem Gelände der U-Bahn-Baustelle entstand in den 1980er-Jahren ein im Vergleich zu einem bescheidenen Vorgänger aus den 1970er-Jahren recht dominant geratener Verkaufspavillon.
ZENTRALER OMNIBUSBAHNHOF
In den 1990er-Jahren besann man sich auf die Rolle des Bahnhofs als städtische Visitenkarte. Ein erster Schritt war der Umbau des Busbahnhofs: An die Stelle der Haltestelleninseln trat eine moderne Umsteigeanlage, die auch den Bereich des Pavillons auf der Nordseite des Bahnhofsvorplatzes mit einbezog. Insgesamt 2.200 Quadratmeter Fläche wurden für den Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) überplant. Auftraggeber war die Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel, deren Omnibuslinien seither eine Mittelinsel mit zehn Haltepunkten anfahren können.
Der zweite Schritt zum heutigen Erscheinungsbild folgte 1999 mit der denkmalgerechten Renovierung des Bahnhofsgebäudes durch die DB AG. Im Zusammenhang mit dem im Rahmen Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA Emscher Park) ausgeführten Projekte wurde auch die durch eine Zwischendecke verborgene Kuppel der Empfangshalle wieder offengelegt. Auch die 1953 von Jupp Gesing (1922 – 1998) gestalteten Glasfenster wurden wieder in die repräsentative Ostfassade eingesetzt.
2004 wurde der Zentrale Omnibusbahnhof meine einer architektonisch herausragenden, 142 Meter langen, geschwungenen Stahl- und Glaskonstruktion überdacht. Zusammen mit den neu gestalteten Straßen im Umfeld des Bahnhofs setzt das Areal seither in der Verkehrsinfrastruktur des Ruhrgebiets einen markanten städtebaulichen Akzent.
KALEIDOSKOP DER STADTARCHITEKTUR
Das Beitragsbild zeigt den Herner Bahnhof im Zustand der frühen 1950er-Jahre. Die künstlerisch gestaltete Postkarte, die der Bahnhofsbuchhändler Otto Hannemann anbot, war damals sehr beliebt. Sie zeigte ein buntes und fröhliches Ruhrgebiet, das es in der Realität aufgrund der recht hohen Luftverschmutzung meist nicht gab.
Die nachfolgende Bildfolge dokumentiert das Erscheinungsbild des Herner Bahnhofs von den Anfängen bis in die 1980er-Jahre. Die historischen Postkarten sind auch ein Kaleidoskop der Stadtarchitektur: von Blumenrabatten in den 1920er-Jahren bis hin zum „Beton-Mobiliar“ der jüngeren Vergangenheit.