Die Schulstrasse hatte für den Straßenbahnverkehr in Herne immer eine besondere Bedeutung. Da sie zwischen der Kreuzkirche und der Vinckestraße parallel zur Bahnhofsstraße verlief, war sie zunächst beim Ausbau und später beim Umbau der Herner Innenstadt eine wichtige Alternative zur Hauptverkehrsachse der Stadt.
Erstmalig wurde sie mit dem Bau der Straßenbahn von Herne nach Sodingen als Straßenbahntrasse genutzt. Nicht unbedingt zur Freude der gut betuchten Anwohner, die sich von Anfang an über die Straßenbahn beschwerten.
Zu der hier als Beitragsbild verwendeten, vermutlich 1920 hergestellten Postkarte aus dem Bildarchiv der Stadt Herne, auf der wir Triebwagen 5 der Straßenbahn Herne – Sodingen – Castrop sehen, schrieb 1977 der Herner Heimatforscher Robert Grabski:
Die Straßenbahn Herne – Sodingen – (Castrop) passiert gerade den Neumarkt Rechts stehen die wuchtigen Bürgerhäuser. Hohe Bäume schirmen den Marktplatz ab. Die Anwohner des Neumarktes beklagten sich 1922, dass die Straßenbahnen in der Schulstraße in starker Fahrt kommend, an der Haltestelle beim Halten stark bremsen, und dadurch die Gebäudewände erschüttern, dass Bilder von den Wänden fallen und Rissbildungen an Decken und Wänden der vorderen Räume wahrzunehmen sind. Daraufhin wurde das Fahrpersonal angewiesen, besonders vorsichtig zu fahren und zu bremsen.
UMBAU FÜR DEN GEMEINSCHAFTSVERKEHR
Mit dem Umbau der Herner Innenstadt für den Gemeinschaftsverkehr wurde die Endstelle der Straßenbahn Herne – Sodingen – Castrop in der Heinrichstraße aufgegeben. Stattdessen wurde das Straßenbahngleis vom Neumarkt über den Teil der Schulstraße, den wir auf der nachfolgenden Postkarte von 1910 sehen bis zur Vinckestraße weitergeführt (Verlag Cramers Kunstanstalt, Dortmund – Sammlung Ludwig Schönefeld).
Mit dem zweiten Ausbau der Bahnhofsstraße wurde die Verbindung über die Schulstraße für den Linienverkehr obsolet. Die Straßenbahntrasse blieb aber weiterhin als Betriebsstrecke erhalten.
Technisch interessant gelöst wurde in diesem Zusammenhang der Gleisanschluss an die neue, zweigleisig ausgeführte Strecke der Straßenbahn Herne Castrop-Rauxel in der Mont-Cenis-Straße zwischen der Bahnhofstraße und der Kreuzung mit der Goethestraße: Um den erforderlichen Mindestradius von der Mont-Cenis-Straße in die Betriebsstrecke über die Schulstraße einzuhalten, wurde für den Abzweig das Richtungsgleis nach Sodingen genutzt. Im Fall einer Umleitung über die Schulstraße mussten die aus Sodingen kommenden Straßenbahnen somit zwischen der Kreuzung Goethestraße und dem Abzweig in die Schulstraße eine Falschfahrt ausführen.
Dies blieb dem Straßenbahnfreund Günter Stetza nicht verborgen, als er die nachfolgende Betriebssituation im Bild festhielt. Die Fotos entstanden vermutlich zwischen 1937 und 1942 : Im Juli 1936 hatte die Städtische Bücherei provisorisch das auf dem ersten Bild sichtbare Gebäude bezogen. An seiner Stelle befindet sich heute ein Parkplatz. Das Gebäude links (Mont-Cenis-Straße 9) ist nach wie vor erhalten – wie auch die Häuserzeile auf dem zweiten Bild (Mont-Cenis-Straße 11 bis 17).
DAUERHAFTE UMLEITUNGSSTRECKE
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Strecke in der Schulstraße anfangs betriebsbereit gehalten. Da die Straßenbahn Herne – Castrop-Rauxel das Streckenstück instand hielt, wurde sie mit deren Einstellung aufgegeben.
Erneut genutzt wurde die Trasse ab 1974, als die in offener Bauweise ausgeführten Tiefbauarbeiten für die U-Bahn in Herne die Verlegung aller Nahverkehrslinien aus der Bahnhofstraße auf alternative Trassen erforderten, einschließlich einer Umleitung der Straßenbahnlinie 8/18.
Am 29. Mai 1979 wurde die Linie 8/18 in Herne von der Linie 5 – später 305 – abgelöst. Mit der Eröffnung der U 35 am 2. September 1989 war dann für die Straßenbahn in der Schulstraße tatsächlich das Ende gekommen.