ÜBERBLICK

Herne und Wanne-Eickel waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts kleine Ortschaften im Emscherbruch. Die Menschen lebten vor allem von der Landwirtschaft.

1818 zählte die Gemeinde Herne 749 Einwohner. Nicht unbedeutend war die geographische Lage der Ortschaft. Seit dem Mittelalter berührten sich zwei Verkehrswege, von Süden und Südosten kommend, im Norden der Herner Gemarkung. Einen halben Kilometer liefen sie gemeinsam, um sich dann wieder nach Norden und Nordwesten zu trennen.

Die Süd-Nord-Straße führte von Köln über Blankenstein, Bochum, Herne, Haltern und Münster zur Nordsee. Von Westen nach Osten verlief die zweite Straße. Von Holland kommend folgte sie dem unteren Lippetal bis Dorsten, um dann über Buer-Crange und Herne den Hellweg zu erreichen. Über Dortmund zogen die Kaufleute weiter bis an die Weser.

ZECHEN TREIBEN DAS WACHSTUM

Sechs Großzechen teuften bis zur Jahrhundertwende auf Herner Gebiet Schachtanlagen ab. Sie zogen Menschen aus allen Teilen Deutschlands in das Ruhr-Revier.

Die Bevölkerung des Dorfes Herne stieg von 938 Menschen vor der Eröffnung der Eisenbahn (1843) auf 33.266 im Jahr 1905. Bezieht man die später nach Herne eingemeindeten Gemeinden mit ein, so stieg die Bevölkerung von rund 2.300 Menschen im Jahr 1843 auf 60.503 im Jahr 1925.

In Wanne-Eickel gab es insgesamt 20 Schachtanlagen der Zechen Königsgrube, Hannibal, Pluto, Unser Fritz und Shamrock.

Stellvertretend sehen wir auf der folgenden Abbildung die Zeche Unser Fritz auf dem Gebiet des Amtes Wanne (Postkarte ohne Verlagsangabe – Sammlung Ludwig Schönefeld).

PERSONENPOST

Ein regelmäßig verkehrendes öffentliches Verkehrsmittel gab es bis weit in das 19. Jahrhundert hinein nicht. Erst 1836 wurde eine Personenpost zwischen Bochum, Herne und Recklinghausen eröffnet. Sie nahm keinesfalls den direkten Weg zwischen Bochum und Herne, sondern rollte zunächst von Bochum dem Castroper Hellweg folgend nach Hiltrop und von dort über die spätere Wiescherstraße durch die Herner Mark nach Herne.

1875 berichtete der evangelische Pastor Dransfeld in seiner Geschichte der evangelischen Gemeinde Herne über eine Kutschfahrt mit der Personenpost:

„Die Personenpost nahm damals ihren Weg von Bochum aus bei Hiltrop vorbei durch die Herner Mark. Bei schlechtem Wetter war derselbe aber völlig grundlos, sodass der große Postwagen nicht allein unzählige Male umstürzte, sondern auch völlig im Schlamm stecken blieb, aus welchem er erst durch Vorspann aus Herne befreit werden konnte.“

Die Personenpost konnte schon bald nach ihrer Eröffnung eine besser befestigte Straße befahren. Zwischen 1839 und 1841 wurde eine Chaussee von Bochum über Riemke und Herne nach Recklinghausen gebaut. Sie entwickelte sich schnell zu einer Hauptverkehrsader, weil sie Bochum und Herne auf dem direkten Weg verband.

Auch im späteren Stadtgebiet von Wanne-Eickel gab es von der Post unterhaltene Verbindungen. Ausführlich berichtet darüber der Landbriefträger und Heimatforscher Gustav Hegler in seinem 1903 erschienenen Buch „Eickel-Wanne – einst und jetzt“.

Das älteste Postamt im späteren Stadtgebiet von Wanne-Eickel war das am 1. Mai 1864 eröffnete Postamt in Eickel. Dieses unterhielt von Anfang an eine zweimal tägliche Verbindung nach Bochum mit einem Personen-Postwagen. 1872 wurde die Linie bis Wanne weitergeführt. Vom 1. Juli 1886 an übernahm der Bochumer Fuhrunternehmer Friedrich Gummert die Verbindung von Bochum nach Wanne.

Das Postamt in Wanne wurde anfangs provisorisch im Gasthof Wolters an der Bahnhofstraße eingerichtet. Vom 26. November 1873 an mietete sich die Post im Personenbahnhof Wanne ein. Am 22. Mai 1885 bezog sie ein Gebäude an der damaligen Kaiser-Wilhelmstrasse (heute „Am alten Amt“). Ein weiterer Umzug erfolgte zum 1. Mai 1895 in ein neu errichtetes Dienstgebäude an der Kaiser-Wilhelmstrasse 14.

Die Postämter in Eickel und Wanne waren wie die nach und nach eröffneten Außenstellen in Bickern, in den Zechenkolonien Königsgrube (Röhlinghausen) und Unser Fritz sowie in Holsterhausen die Anfangs- und Zielpunkte der Personenpost und der sogenannten „fahrenden Landbriefträgerpost“, die zeitweise auch einen Personentransport anbot.

Vom neuen Standort in Wanne gab es vom 1. Mai 1886 an eine Landbriefträgerpost über Bickern zur Kolonie Unser Fritz. Ab dem 1. April 1889 wurde eine Verbindung von Wanne zur Postagentur Königsgrube hergestellt. Diese Linie wurde am 1. August 1889 über Hordel nach Eickel verlängert. Ab 1890 gab es eine Verbindung über von Wanne über Eickel nach Holsterhausen.

Die Landbriefträgerpost nach Röhlinghausen wurde am 1. Februar 1899 eingestellt, die Linie nach Eickel am 1. März 1899. Den Personentransport hatten 1898 die neu eröffneten Straßenbahnlinien nach Gelsenkirchen und Bochum übernommen. Jetzt wurde auch die Post als „Schaffnerbahnpost“ vom Personal der Straßenbahn befördert.

Zeitgleich entfiel auch die Landbriefträgerpost über Eickel nach Holsterhausen. Auf dieser Relation übernahm ein Postbote zweimal täglich die Beförderung von Briefen und Paketen. Die Kutsche blieb in der Remise. Die fehlende Mitfahrgelegenheit wurde in Holsterhausen vermutlich sehr vermisst. So kehrten die „fahrende Landbriefträgerpost“ und der Postillion am 1. September 1903 zurück. Wir sehen die gelbe Postkutsche – eher durch Zufall – auf der hier als Beitragsbild gezeigten, 1910 verschickten Postkarte vor dem Kaufhaus Weinberg (Sammlung Ludwig Schönefeld), vermutlich bei einem Zwischenstopp auf dem Weg vom Postamt Wanne nach Holsterhausen.

Herauszufinden, wann genau die letzte „fahrende Landbriefträgerpost“ in Wanne-Eickel verkehrte, wäre ein eigenes Forschungsprojekt. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass der Personentransport spätestens mit der Eröffnung der Straßenbahnverbindung zwischen Herne und Höntrop spürbar zurückging.

PFERDEOMNIBUSSE

Ergänzend zur Personenpost eröffneten private Fuhrunternehmen die ersten Omnibuslinien im heutigen Herner Stadtgebiet. Der Bochumer Haudereibesitzer Heinrich Fork betrieb bis zur Eröffnung der Straßenbahnlinie von Bochum nach Herne einen Pferdeomnibus zwischen Bochum, Riemke und Herne. Seine in Bickern (Wanne) ansässigen Namensvettern August Fork und Bernhard Fork boten eine Omnibusverbindung zwischen Wanne und Herten an.

Ein dritter Anbieter war der Bochumer Fuhrunternehmer Friedrich Gummert. Er hatte vom 1. Juli 1886 an die Verbindung von Wanne über Eickel nach Bochum von der Kaiserlichen Post übernommen. Nach der Eröffnung der Straßenbahn konnte sich der an der Maltheserstraße in Bochum heimische Unternehmer einen Teil der Transportaufträge für die in Bochum neu eingeführte Müllentsorgung sichern. Ein weiteres Standbein war ab 1897 der Betrieb einer Ringofen-Ziegelei.

Die von den Privatunternehmern eingesetzten Pferdeomnibusse waren größer und geräumiger als die Kutschen der Kaiserlichen Post. Das folgende Bild aus dem Bildarchiv der Stadt Herne gehört zu den wenigen erhaltenen Bilddokumenten aus der Zeit der Pferdeomnibusse. Es soll den letzten zwischen Herne und Bochum eingesetzten Pferdeomnibus zeigen, vermutlich ein Gespann aus dem Fuhrpark von Heinrich Fork.

HERNE UND DIE EISENBAHN

Hernes beispielloser Aufstieg zur Industriestadt vollzog sich, nachdem am 15. Mai 1847 die Köln-Mindener-Eisenbahn-Gesellschaft etwa einen Kilometer südlich des Dorfes Herne eine Bahnstation eröffnet hatte. Eine Zeitlang hieß diese Station „Herne-Bochum“. Bis zum Jahr 1850 wurde die Strecke der Köln-Mindener-Eisenbahn zweigleisig ausgebaut.

Die Nachbarstadt Bochum erhielt erst Jahre später eine Bahnstation, als die Bergisch-Märkische-Eisenbahn-Gesellschaft am 26. Oktober 1860 ihre Strecke Bochum – Witten in Betrieb nahm.

Am 28. Mai 1870 wurde eine zunächst nur für den Güterverkehr bestimmte Bahnlinie der Bergisch-Märkischen-Eisenbahn von Bochum über Riemke nach Herne eröffnet. Nach dem 1. Januar 1873 wurde sie auch für den Personenverkehr genutzt, der jedoch 1896 zugunsten der Straßenbahn Bochum – Herne eingestellt wurde.

AUCH WANNE WIRD EIN EISENBAHNKNOTEN

Am 11. November 1868 beantragte die Köln-Mindener-Eisenbahn die Konzession zum Bau einer Bahn durch das Emschertal von Meiderich über Sterkrade, Schalke, Bickern, Herne, Castrop und Marten nach Dortmund. Nach der Fertigstellung dieser Strecke entwickelte sich auch der Haltepunkt auf dem Gebiet der Gemeinde Bickern, der später „Wanne“ genannt wird, zu einem Eisenbahnknoten.

Am 1. Dezember 1874 wurde die „Emschertalbahn“ auf dem Teilstück Herne – Börnig – Castrop für den Güterverkehr eröffnet. Zwischen Bickern / Wanne und Herne wurde das bereits bestehende Gleis der Köln-Mindener-Eisenbahn benutzt. Personenverkehr gab es seit dem 1. April 1878.

vom 10. Januar 1876 an rollten die Züge der Bergisch-Märkischen-Eisenbahn auf einer weiteren, anfangs nur für den Güterverkehr genutzten Eisenbahnlinie von Herne über Crange, Bismarck und Katernberg-Nord nach Oberhausen. Am 21. Juni 1889 fuhr auf dieser Strecke der erste Personenzug.

Die Westfälische Eisenbahn erhielt am 17. Juni 1874 die Baugenehmigung für eine Bahn von Dortmund über Bodelschwingh, Herne und Bismarck nach Sterkrade. Sie wurde am 20. August 1879 in Betrieb genommen. Nach der Verstaatlichung des Eisenbahnwesens wurde sie bereits am 1. Juli 1882 wieder stillgelegt.

Die Station der Köln-Mindener-Eisenbahn an der Chaussee Bochum – Herne – Recklinghausen, an dem sich die Köln-Mindener-Eisenbahn und die Emschertalbahn trafen, wurde zum wichtigsten Herner Bahnhof.

Der Personenbahnhof der Bergisch-Märkischen-Eisenbahn an der Strecke Herne – Bochum am Ende der Von-der-Heydt-Straße wurde 1896 stillgelegt. Zuvor hatte man bereits den Güterbahnhof dieser Strecke im Rottbruch aufgegeben.

Der Bahnhof der 1882 stillgelegten Westfälischen Eisenbahn lag an der Bahnhofstraße, etwa dort, wo heute der Emscherschnellweg (Autobahn 42) die Straße überquert. Die Bahntrasse verschwand, als zwischen 1892 und 1898 der Herner Hafen als Endhafen des Dortmund-Ems-Kanals ausgehoben wurde. Erst beim Bau des Emscherschnellweges in den 1970er-Jahren wurde der Herner Hafen zugeschüttet.

Das nachfolgende Luftbild aus dem Jahr 1958 dokumentiert die Bedeutung von Wanne-Eickel und Herne für den Eisenbahnverkehr. Das Bild zeigt den Wanne-Eickeler Hauptbahnhof und dessen östliche Ausfahrt in Richtung Herne (Verlag Heinrich Koch, Essen – Sammlung Ludwig Schönefeld).

DIE VERWALTUNG DES REVIERS

Um die Entwicklung des Pesonennahverkehrs in Herne und Wanne-Eickel historisch einordnen zu können, ist es wichtig, einen Blick auf die Verwaltungsstrukturen des Reviers zu werfen.

Nach der Niederwerfung Napoleons im Krieg gegen Preußen wurden die Provinzen Rheinland und Westfalen auf dem Wiener Kongress im Jahre 1815 Preußen zugeteilt. Ein Jahr später schuf die preußische Regierung die Regierungsbezirke Kleve, Düsseldorf, Arnsberg und Münster im heutigen Ruhrgebiet. Die im heutigen Gebiet der Städte Bochum, Gelsenkirchen und Herne liegenden Gemeinden gelangten zum Regierungsbezirk Arnsberg.

Ebenfalls 1816 wurde im Regierungsbezirk Arnsberg der Landkreis Bochum gegründet, von dem am 1. April 1887 der Landkreis Gelsenkirchen abgetrennt wurde. Herne gehörte weiterhin zum Landkreis Bochum.

Am 1. April 1907 wurde Herne kreisfreie Stadt. In den folgenden Jahren wurde das Stadtgebiet durch Gebietsreformen vergrößert: Baukau und Horsthausen wurden am 1. April 1908 eingemeindet, Teile von Bladenhorst, Riemke, Eickel und Wanne am 1. April 1926. Zwei Jahre später folgten die Gemeinden Börnig, Sodingen sowie Teile von Castrop-Rauxel und Holthausen.

Mit der Eingemeindung von Teilen Gerthes nach Herne am 1. August 1928 wurden die Gebietsreformen vor dem Zweiten Weltkrieg abgeschlossen.

Die Gemeinde Gerthe war bis zum August 1929 selbständig. Die benachbarten Kommunen Bochum und Herne versuchten gleichermaßen, Gerthe enger an ihr Stadtgebiet anzubinden. Ein Teil der Herner Bemühungen war der Bau der Straßenbahnlinie Herne – Gerthe.

Mit der Kommunalreform von 1974 wurde die westliche Nachbarstadt Wanne-Eickel zum 1. Januar 1975 nach Herne eingemeindet.

Zum nachfolgenden Bild: Mit der Eingemeindung von Baukau und Horsthausen am 1. April 1908 begann Hernes Aufstieg zur Großstadt. Die von dem Herner Fotograf Franz Kraft publizierte Fotopostkarte zeigt die Ehrendamen, die zur Feier des Tages aufgeboten wurden (Verlag Franz Kraft, Herne – Sammlung Ludwig Schönefeld).

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