VON HERTEN

Erste Pläne, den zwischen Herten und Wanne verkehrenden Pferdeomnibus durch eine Straßenbahnverbindung zu ersetzen, gab es bereits Mitte der 1890er-Jahre. Die Gemeinde Herten verhandelte diesbezüglich mit mehreren Straßenbahnunternehmen, unter anderem mit Siemens & Halske.

Das in Berlin ansässige Unternehmen betrieb die Straßenbahn von Bochum nach Herne und hatte das Monopol für den Netzausbau in Bochum und Gelsenkirchen. Von beiden Städten wurden Straßenbahnverbindungen in das Gebiet der späteren Stadt Wanne-Eickel gebaut.

Diese frühen Gespräch hatten keinen Erfolg. Am Ende entschied die Gemeindevertretung in Herten im März 1896, die Straßenbahnverbindung über Crange nach Wanne selbst zu bauen.

Gemeinsam mit dem Landkreis Recklinghausen, der Stadt Recklinghausen sowie den Gemeinden Crange und Wanne wurde die Straßenbahn Recklinghausen – Herten – Wanne gegründet. Die Gemeinde Herten war mit 24 Prozent, der Landkreis Recklinghausen mit 18 Prozent, die Stadt Recklinghausen, die Verwaltungseinheit Recklinghausen-Land und die Gemeinde Wanne mit jeweils 17 Prozent und die Gemeinde Crange mit 7 Prozent an der kommunalen Neugründung beteiligt.

Der entsprechende Vertrag wurde am 12. und 26. Juni 1899 unterzeichnet. Ein zeitgleich gebildeter Verwaltungsausschuss koordinierte das Projekt und die Bauarbeiten. Sie begannen im Laufe des Jahres 1900.

Am 10. Mai 1901 wurde die 12,8 Kilometer lange Verbindung von Recklinghausen über Herten nach Wanne eröffnet. Zur Erstausstattung gehörten zehn Triebwagen und sieben Beiwagen.

Das Titelbild dieses Kapitels zeigt Triebwagen 6 der Straßenbahn Recklinghausen – Herten – Wanne auf der Emscherbrücke an der Cranger Schule (Bildarchiv der Stadt Herne).

ABFAHRT AM STEINTOR

In Recklinghausen lag die Endstelle der Straßenbahn, die später die Linienbezeichnung „1“ erhielt, zunächst am Steintor, später am Hauptbahnhof.

Auf dem Weg zum Hauptbahnhof über den Königs- und den Herzogswall passierte die Straßenbahn zunächst die Feuerwehr (heute Herzogswall 31), dann einen erhaltenen Turm der Stadtmauer und zuletzt das repräsentative Kreishaus, das heute die Volkshochschule beherbergt.

Am Steintor entstand das nachfolgende Postkartenmotiv. Triebwagen 4 der Straßenbahn Recklinghausen – Herten – Wanne steht für die Abfahrt bereit (Verlag Paul Caspar, Bochum (Ausschnitt) – Sammlung Ludwig Schönefeld).

ÜBER HOCHLAR UND HERTEN NACH WANNE

Im weiteren Verlauf passierte die Straßenbahn zunächst die Gemeinde Hochlar. Im benachbarten Herten wurde an der Clemensstraße der Betriebshof der Bahn gebaut.

Über die Provinzialstraße erreichte die Straßenbahn das Gebiet der späteren Stadt Wanne-Eickel. Ein wichtiger Unterwegshalt war auf diesem Streckenstück die Haltestelle an der 1872 abgeteuften Schachtanlage Ewald.

Im Süden des ehemaligen Dorfkerns von Crange, in dem sich die erste Ausweiche im Amt Wanne befand, überquerte die Straßenbahn die Emscher. Der Fluss lief damals unmittelbar an der noch heute erhaltenen Cranger Schule entlang (Bildarchiv der Stadt Herne). Die Emscherbrücke wurde damals als Fleutebrücke bezeichet.

Im Tarifsystem der Straßenbahn lag hier eine von insgesamt elf Zahlgrenzen. Pro Zahlgrenze wurden 5 Pfennig erhoben. Das entsprach einer durchschnittlichen Entfernung von 1,17 Kilometer. Die Gesamtstrecke von Wanne nach Recklinghausen kostete 50 Pfennig.

UNSER-FRITZ-STRASSE

Nach wenigen Metern erreichte die Bahn in stadteinwärts linker Seitenlage die Kreuzung mit der damaligen Dorstener Straße. Im weiteren Verlauf folgte die Trasse der Wanner Bahnhofstrasse bis zu ihrer Endstelle am Bahnhof Wanne. Dabei lag das Gleis zumeist in der Straßenmitte.

Für Verspätungen sorgte bereits in den ersten Jahren des Straßenbahnbetriebs die niveaugleiche Kreuzung mit der Bahnstrecke von Bismarck nach Herne. Erst nach vielen Jahren wurde dieser Bahnübergang durch eine Brücke ersetzt.

Hinter der Kreuzung „Unser Fritz“ lag eine weitere Ausweiche. Sie erhielt später die Bezeichnung „Unser-Fritz-Straße“. Wie die naheliegende Zechensiedlung war die Straße nach der etwa 1,5 Kilometer westlich liegenden Schachtanlage Unser Fritz benannt.

An der Kreuzung Unser Fritz entstand auch das Beitragsbild dieses Kapitels. Es zeigt den Triebwagen 8 auf der Fahrt von Recklinghausen nach Wanne. Darüber hinaus dokumentiert die Postkarte der Dortmunder Kunstanstalt Hermann Lorch die bereits zu dieser Zeit dichte Bebauung der Bahnhofstraße sowie die zahlreich vorhandenen Einzelhandelsgeschäfte.

STUMPFGLEIS ALS ENDSTELLE

Eine letzte Ausweiche befand sich unmittelbar vor der Endstelle am alten Wanner Bahnhof in Höhe der Freise Straße (heute Freisenstraße). Hier wurde das Gleis von der Straßenmitte auf die östliche Straßenseite verschwenkt. Den Abschluß bildete ein Stumpfgleis unmittelbar vor dem niveaugleichen Bahnübergang der Eisenbahn.

An dieser Stelle entstand das letzte Bild dieses Kapitels. Es zeigt den soeben angekommenen Triebwagen 7. Das Linienschild ist noch nicht gewechselt (Verlag Theodor Schnitzler, Düsseldorf (Ausschnitt) – Sammlung Ludwig Schönefeld).

Anfangs war die Straßenbahn im 20-Minuten-Takt unterwegs. 1905 wurden auf der gesamten Strecke neue Ausweichen angelegt, um einen 10-Minuten-Takt zu ermöglichen. Eine dieser neuen Ausweichen befand sich am Waldfriedhof der Stadt Wanne-Eickel (auf Hertener Gemarkung), eine weitere in Höhe der Ziethenstraße (heute Heinestraße) in Wanne.

ZURÜCKZUM NÄCHSTEN KAPITEL