ZUM OSTHAFEN

In den letzten Kriegsmonaten zerstörten deutsche Truppen zahlreiche über den Rhein-Herne-Kanal führende Brücken, auch die Brücke am Westhafen in Wanne-Eickel. Ziel war es, den alliierten Truppen die Einnahme des Ruhrgebiets zu erschweren. Nicht mehr befahrbar war bei Kriegsende auch die Emscherbrücke. Ebenso lag die Reichsautobahnbrücke im weiteren Verlauf der Hertener Straße in Trümmern.

Durch die Sprengung der Brücke hatten die Vestischen Straßenbahnen keinen Zugang nach Wanne-Eickel. Auf Wunsch der Stadt erklärte sich die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG mit Zustimmung der „Vestischen“ bereit, zwischen der Ausweiche in der Dorstener Straße (Garthmann) und Wanne-Eickel Hbf. einen Ersatzverkehr für die Linie 1 anzubieten. Am 8. April 1946 wurde die entsprechende Anzeige dem Regierungspräsidium in Arnsberg vorgelegt. Vermutlich wurde der Pendelverkehr bereits kurz darauf aufgenommen.

Den Anschluss auf der Nordseite des Rhein-Herne-Kanals nach Herten und Recklinghausen stellte – wie im vorherigen Kapitel beschrieben – ab dem 1. Juni 1946 zunächst die Linie 7 her. Hier kehrte die „1“ am 4. Oktober 1948 zurück.

Im Januar 1950 konnte am Westhafen eine neue Brücke eingeschwommen werden. Nach vier Monaten wurde das Bauwerk am 29. April 1950 eröffnet. Nunmehr fuhr auch die Linie 1 wieder durchgehend von Recklinghausen Hbf. über Herten nach Wanne-Eickel Hbf..

Der Umbau des Betriebshof Eickel zum reinen Omnibusbetriebshof machte die Abstellung von Straßenbahnwagen vom 24. April 1950 an unmöglich. Als Alternative nutzte die Vestische Straßenbahn für die letzten fünf Tage bis zur Freigabe der neuen Kanalbrücke das Stumpfgleis zwischen dem Wanner Bahnhof und der Friedhofstraße als bewachte Abstellfläche.

Das Beitragsbild, ein 1956 vom Verlag Cramers Kunstanstalt, Dortmund, verlegtes Postkartenmotiv, zeigt auf der Linie 1 einen der von der Waggonfabrik Uerdingen gelieferten Standardtriebwagen des Baujahres 1921 (Serie 129 bis 148) in der belebten Hauptstraße von Wanne-Eickel. Viele Lücken, die der Zweite Weltkrieg in der Bausubstanz hinterlassen hat, sind bereits wieder geschlossen (Sammlung Ludwig Schönefeld).

Hinter dem Straßenbahnwagen wartet ein Lastwagen aus Beständen der Alliierten. Die robusten Fahrzeuge wurden nach dem Zweiten Weltkrieg an zivile Fuhrunternehmen verkauft und noch lange Zeit verwendet.

Auch die folgende Postkarte wurde noch vor der Umstellung der Autokennzeichen in Deutschland (Stichtag 1. Juli 1956) fotografiert, aber noch 1960 von Cramers Kunstanstalt verkauft (Sammlung Ludwig Schönefeld). Zu diesem Zeitpunkt waren auf der Linie 1 bereits moderne Großraumwagen im Einsatz.

Hier sehen wir jedoch den 1942 von der Düsseldorfer Waggonfabrik gelieferten Niederflurwagen 317. Diese zu ihrer Zeit ausgesprochen fortschrittlichen Wagen waren mit einem mittig angeordneten Zentralfahrschalter ausgestattet. Er wurde von den Kurbeln in den Führerständen über Seilzüge betätigt. Diese waren in Röhren unter dem Wagenboden verlegt. Da die Röhren das Werkstattpersonal an Posaunen erinnerten, erhielten die Wagen intern den Spitznamen „Posaunomwagen“. Sie wurden bis Anfang der 1970er-Jahre auf weniger stark frequentierten Linien eingesetzt.

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