Der Erfolg der von der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG betriebenen Straßenbahnlinien ermutigte weitsichtige Kommunalpolitiker in den Städte und Gemeinden des mittleren Ruhrgebiets, eigene Straßenbahnprojekte voranzutreiben. Auch zunächst gescheiterte Projekte, wie der 1896 ausgearbeitete erste Plan einer Straßenbahn von Herne nach Sodingen, entmutigten die Politik nicht.
So schlossen die Städte Herne und Wattenscheid sowie die Gemeinden Baukau, Börnig, Crange, Eickel, Holthausen, Holsterhausen, Hordel, Horsthauen, Günnigfeld, Sodingen, Wanne und Westenfeld am 29. Dezember 1898 mit einem von der Berliner Bank geführten Finanzkonsortium einen Vertrag über den Bau elektrischer Straßenbahnen auf folgenden drei Linien:
von Castrop über Bedringhausen, Holthausen, Sodingen, Herne, Holsterhausen, Eickel, Hordel, Günnigfeld, Wattenscheid, Westenfeld, Höntrop, Sevinghausen bis Königssteele,
von Castrop über Horsthausen, Baukau und Crange nach Wanne und
von Herne über Zeche von der Heydt nach Baukau.
Mit dem Vertrag verbunden war eine Betriebskonzession über 40 Jahre. Die Straßenbahn sollte eingleisig in Meterspur gebaut werden. In Distanzen von sechs bis sieben Kilometern waren für den Halbstunden-Verkehr 80-Meter-Ausweichen vorgesehen.
Dem mutigen Vorstoß stellten sich jedoch unüberwindbare Hindernisse entgegen: Die Landkreise Bochum und Gelsenkirchen hatten der Firma Siemens & Halske, Berlin, eingeräumt, alle in ihrem Gebiet liegenden Straßenbahnlinien zu bauen und zu betreiben. Von der daraus abgeleiteten Einspruchsfrist machte Siemens & Halske nicht Gebrauch. Der Landkreis Gelsenkirchen jedoch verweigerte dem Verwaltungsausschuß der Straßenbahn Castrop-Wattenscheid das Recht, die Kreisstraßen benutzen zu dürfen. Damit wurde das Straßenbahn-Projekt erst einmal gestoppt.
NEUE PERSPEKTIVEN
1903 machte die Abteufung des Schachtes II der Zeche Julia an der Juliastraße in Herne eine Straßenbahnverbindung von Castrop nach Wattenscheid wieder interessant. Zwischen Kreisbehörden und Kommunalpolitikern wurden umfangreiche Briefwechsel dazu geführt. Die Gemeinden Baukau, Holsterhausen, Eickel, Hordel, Günnigfeld und Westenfeld, die Städte Herne und Wattenscheid sowie der Landkreis Gelsenkirchen bildeten schließlich einen Ausschuß, der sich mit dem Projekt einer Straßenbahn von Baukau nach Höntrop befassen sollte. Der Landkreis Gelsenkirchen, Siemens & Halske sowie die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG hatten keien Einwände.
Im Gegenteil: Man beauftragte den damals bei der Bochumer Niederlassung der Firma Siemens & Halske tätigen Ingenieur Eduard Meyer, ein Konzept für die elektrische Straßenbahn Baukau -Höntrop zu erstellen. Meyer wurde auch verpflichtet, für die Straßenbahn, deren Gesellschafter die beteiligten Gemeinden sein sollten, einen Gesellschaftsvertrag auszuarbeiten.
PROBEFAHRTEN IM NOVEMBER 1907
Im November 1907 wurden die ersten Triebwagen für die Kommunale Strassenbahn-Gesellschaft Landkreis Gelsenkirchen von der Hamburger Waggonfabrik Falkenried ausgeliefert. Bis Ende Dezember waren die 19 bestellten Triebwagen im Betriebshof Eickel eingetroffen. Die Probefahrten begannen im November 1907.
Der Gastwirt Gustav Dörge, der unweit des Betriebshofes, auf dem heutigen Grundstück Hordeler Straße 68, eine Restauration betrieb, nahm die Probefahrten zum Anlass, den Gelsenkirchener Verlag Louis Schulte mit der Produktion einer exklusiven Postkarte zu beauftragen. Damit das Motiv schön aussah, wurde das Gebäude beflaggt. Das Grün der Bäume ergänzte ein talentierter Retuscheur.
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