STRECKENAUSBAU

Gerthe war die nächste größere Gemeinde südöstlich der Stadt Herne. Am 23. Dezember 1908 hatte die Kleinbahn Bochum – Gerthe – Harpen eine Straßenbahnlinie von Gerthe über die Kolonie der Zeche „Prinz von Preußen“ zum Schwanenmarkt nach Bochum eröffnet. Eine Zweigstrecke führte von der Kolonie nach Harpen.

Vor allem die Herner Geschäftsleute setzten sich für einen Ausbau der Straßenbahn der Stadt Herne bis Gerthe ein.

Die Verwaltung der Straßenbahn Herne – Sodingen arbeitete daraufhin einen Kostenvoranschlag aus. Danach beliefen sich die Kosten für eine Verlängerung der Bahn von der Kolonie Constantin nach Gerthe auf 170.000 Mark. Am 28. November 1908 wurde das Projekt dem Verwaltungs-Ausschuss der Straßenbahn der Stadt Herne vorgelegt.

Am 28. April 1909 stimmten die Stadtverordneten der Stadt Herne der Verlängerung unter der Bedingung zu, dass die Herner Geschäftsleute für drei Jahre eine Garantie in Höhe der Hälfte der Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals für die Gesamtstrecke Herne – Gerthe übernähmen. Das Anlagekapital betrug insgesamt 270.000 Mark, von denen 135.000 Mark auf die neu zu bauende Strecke entfielen.

Die konkreten Planungen für den Ausbau des Unternehmens begannen im Mai 1909. Die Strecke sollte von der Endstelle in der Wiescherstraße über die Kronenstraße und die Hiltroper Landwehr nach Gerthe verlaufen. Die Straßenbahn Herne – Sodingen wurde mit der Planung beauftragt.

Im Mai 1910 beantragte die Stadt Herne beim Regierungs-Präsidenten die Genehmigung, ihre Strecke von der Kronenstraße in Herne bis Gerthe ausbauen zu dürfen. Die nötige Konzession wurde umgehend erteilt.

Die Vorbereitungen für die Streckenerweiterung nach Gerthe nahmen wesentlich mehr Zeit in Anspruch als bei der Stammstrecke. Bevor die Straßenbahn der Stadt Herne mit dem Bau der Strecke nach Gerthe beginnen konnte, musste ein Vertrag mit der Gemeinde Gerthe über die Benutzung der Landwehrstraße geschlossen werden. Herne unterschrieb das Dokument bereits am 10. August 1910, die Gemeinde Gerthe erst drei Monate später, am 5. November 1910.

HARTE AUFLAGEN

Die Gemeinde Gerthe knüpfte harte Auflagen an ihre Zustimmung. Zentral war die Forderung, die Betriebsführung der Kleinbahn Bochum – Gerthe – Harpen, an der die Gemeinde Gerthe als Gesellschafterin beteiligt war, zu übertragen.

Am 10. August 1910 schlossen die Straßenbahn der Stadt Herne und die Bochum-Castroper Straßenbahn einen entsprechenden Betriebsvertrag mit fünfjähriger Laufzeit. Der gesamte Betrieb der Straßenbahn der Stadt Herne, der bislang von der Straßenbahn Herne – Sodingen geführt worden war, wurde gegen eine feste Vergütung pro Rechnungskilometer der Bochum-Castroper Straßenbahn übertragen.

Im Hinblick auf die Streckenerweiterung der Bochum-Castroper Straßenbahn von Gerthe nach Castrop war vom 1. Juni bis zum 31. August 1910 der Betriebshof in Gerthe erweitert worden. Die Straßenbahn Herne – Sodingen dagegen litt unter beengten Platzverhältnissen, nachdem auch sie am 15. Juli 1910 ihre Strecke über die Gemeinde Börnig nach Castrop verlängert und dafür neue Fahrzeuge beschafft hatte.

Das Planfeststellungverfahren im Oktober 1910 war erfolgreich. Am 18. Oktober 1910 konnte die Baudeputation die ersten Aufträge vergeben. Im Gegensatz zu der Strecke in der Wiescherstraße waren bei der Verlängerung der Straßenbahn nach Gerthe auch zusätzliche Vermessungsarbeiten notwendig.

Die neue Strecke begann an der Endstelle der Linie Herne – Kolonie Constantin in der Mitte der Wiescherstraße. Von dort schwenkte das Gleis auf die Südseite der Kronenstraße. Nach einer S-Kurve vor der Gaststätte Voss erreichte die Strecke den Herner Landwehrweg. Nunmehr lag das Gleis auf der östlichen Straßenseite bis zur Endstelle. Sie lag unweit des Gerther Krankenhauses an der Einmündung der heutigen Hiltroper Landwehr in den Castroper Hellweg. Dort gab es auch eine weitere Ausweiche.

Das Beitragsbild – ein Ausschnitt aus einer historischen Postkarte aus der Sammlung von Günter Kennert – zeigt einen auf der Gerther Linie eingesetzten Wagen der Westfälischen Straßenbahn vor der Gaststätte Voss. Links führt das Gleis in die Kronenstraße nach Herne, rechts hinter der Gaststätte in den Landwehrweg nach Gerthe.

Im Hintergrund sind der Förderturm und das Maschinenhaus des zur Grubenbewetterung genutzten Schachtes „Constantin XI“ der gleichnamigen Zeche zu sehen. Das Gebäude links dient der „Bewetterung“ der Stollen mit Frischluft. Es ist auch in der Bildfolge, die den Streckenverlauf von der Kolonie Constantin nach Gerthe dokumentiert, mehrfach zu sehen. Bis heute ist mir vom Landwehrweg und von der Hiltroper Landwehr kein Bild mit einem Straßenbahnwagen bekannt.

  • 1921 wurde eine neue Ausweiche im Herner Landwehrweg gebaut. Das Tiefbauamt dokumentierte
    die Gleislage vor dem Umbau. Im Hintergrund das Lüftergebäude von "Constantin XI".
    Bildarchiv der Stadt Herne